Unsere Praxis

Der berufliche Pfeiler Fortbildung und wie man ihn aufbauen und stärken kann?

Wenn wir nach unserem Zahnmedizinstudium in die zahnärztliche Praxis entlassen werden, sind wir alle, und das ohne Ausnahme, Babyzahnärzte, theoretisch in der Regel gut ausgebildet, aber praktisch in den Kinderschuhen. Mehr kann auch die allerbeste Universität nicht. Wer das als Absolventin oder Absolvent verstanden hat, muss nur noch den hehren, naheliegenden und für die berufliche Entwicklung so entscheidenden Schluss ziehen: lebenslange Fortbildung!

Wie ich unter „meine Anfänge“ schon berichtete, hatte ich diese Tatsache schon sehr früh begriffen. Aber ich möchte an dieser Stelle eine wichtige Tatsache vorausschicken.

Das Fundament meines zahnärztlichen Schaffens ist meine große Liebe zu diesem Beruf. Das ist nicht so daher gesagt wie: „Ich liebe dieses oder jenes“, was nur bestimmte Vorlieben, wie z.B. „Ich liebe Schokolade“, beschreiben soll. Es ist eher eine wirklich tiefe Liebe, die in den vielen Jahren meiner Tätigkeit gewachsen ist.

Wir alle wissen, dass man einer richtigen Liebe Bedeutung und Aufmerksamkeit widmen und sie hegen und pflegen muss, da sie ansonsten verkümmert.  Auf meine geliebte Zahnheilkunde angewandt und übersetzt bedeutet das ein hohes Maß an ständiger fachlicher Fortbildung. Zum anderen darf man eine Liebe nicht betrügen. In meinem Fall heißt das, keinesfalls in der Qualität nachzulassen und dem kleinen Teufelchen, welches uns so gern ins Ohr flüstert, dass man doch dieses oder jenes einfacher und schlechter machen könne, merkt doch keiner, zu widerstehen. Die Fortbildung allein reicht aber noch nicht für die berufliche Entwicklung. Man muss das Erlernte auch in die tägliche Arbeit integrieren. Das ist deutlich schwerer als ein Wochenende lang Neues zu lernen und zu begreifen. Es gab eine Zeit, da sich meine Helferinnen vor dem Montag nach einem Wochenendkurs fürchteten. Das hat sich dann aber später nivelliert.

Der Zeitaufwand für meine berufliche Fortbildung pro Jahr ist hoch. Er liegt bei 30 bis 50 Tage pro Jahr. Dadurch habe ich seit 1990 für meine Fortbildung einen deutlich höheren Zeitaufwand betrieben, als für mein fünfjähriges Studium der Zahnheilkunde in Rostock.

Diese Fortbildung kostet einiges an Zeit und Geld, ist aber essentiell, ja unabdingbar für eine würdige und gute Berufsausübung. Manchmal werde ich gefragt, ob denn das normal sei.

Ist es sicher nicht. Ich weiß auch nicht, was normal wäre. Ich kenne einige Zahnärztinnen und Zahnärzte, die einen ebenso hohen oder noch größeren Fortbildungsaufwand betreiben. Das Minimum für jede Zahnärztin, jeden Zahnarzt jedoch würde ich mit zehn Tagen pro Jahr beziffern.  

Nachlassen in der Fortbildung kommt für mich nicht in Frage.

Allgemein gilt die These, dass sich Hochschulwissen ohne Auffrischung, also ohne Fortbildung, alle fünf Jahre halbiert. Danach wäre nach zehn Jahren noch ein Viertel und nach 20 Jahren noch ein Sechzehntel dieses Wissens vorhanden. Ohne regelmäßige und lebenslange Fortbildung verfügt man spätestens nach zwanzig Jahren nur noch über eine sich selbst immer weiter reduzierende Routine. Dann wird es nichts mehr mit der Qualität der Arbeit. Kann man das vor seinen Patienten verantworten? „Primum nihil nocere“ – „erstens niemals schaden“ heißt der Spruch für Mediziner aus dem hippokratischen Umfeld des Altertums, dem alle Mediziner zumindest ethisch folgen sollten. Im Ganzen lautet die Bekenntnis: primum nihil nocere, secundum cavere, tertium sanare“, erstens nicht schaden, zweitens vorsichtig sein, drittens heilen. Es gibt für mich keine bessere Aufforderung an uns Mediziner.

Nur mit intensiver und extensiver Fortbildung wird man immer besser. Das gilt für mich und die vielen anderen mit der Zahnheilkunde eng verbundenen Kolleginnen und Kollegen. Wenn man mich fragen würde, wann man seinen Beruf exzellent ausführen könne, so würde ich antworten, mit Erreichen der Souveränität. Ich agiere in der Zahnheilkunde souverän. Mich bringt nichts aus der Ruhe oder vom rechten Glauben oder goldenen Weg ab. Ich kann eigene Fehler erkennen und bin immer in der Lage, diese zu korrigieren. Die Demut darf man trotzdem nie verlieren, gesundes Selbstbewusstsein ist schon gestattet.

Für manche Patienten ist das numerische Alter einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes ein Auswahlkriterium. Das kann sehr in die Irre führen.

Das Kriterium ist nicht das numerische Alter, sondern der Grad der Fortbildung.

Ein junger nicht fortgebildeter Zahnarzt oder eine nicht fortgebildete Zahnärztin wird der Zahnheilkunde nicht gerecht. Dasselbe trifft für ältere nicht fortgebildete Kolleginnen und Kollegen zu. Wie sollte es auch anders sein?

Junge und ältere fortgebildete Zahnärztinnen und Zahnärzte sind die erstrebenswerte Behandlerinnen und Behandler.

Das sollte einleuchtend sein.

Dr. Rainer Littinski

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