Chirurgische Maßnahmen gehen bekanntlicherweise immer unter die Oberfläche.
Der bekannteste chirurgische Eingriff beim Zahnarzt ist wohl die Zahnentfernung (Extraktion). Dazu gehört auch die chirurgische Entfernung von Weisheitszähnen oder anderen verlagerten Zähnen, Wurzelspitzenresektionen, Zystenentfernungen (Zystektomie) im Zahnfleisch oder Knochen und die an anderer Stelle erwähnten Maßnahmen der speziellen zahnärztlichen Chirurgie.
Vor einer Wurzelspitzenresektion steht im Allgemeinen eine Wurzelbehandlung. Dabei wird ein, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr erhaltungswürdiger Zahnnerv entfernt, der Wurzelkanal (oder mehrere) erweitert, desinfiziert und randdicht bis zur Wurzelspitze, dem Eintrittspunkt des Zahnnervs, gefüllt. Bakterien wurden so größtenteils entfernt, für eine erneute Vermehrung finden Bakterien keinen Platz.
Wenn jedoch die Wurzelbehandlung missglückt ist, die Bakterien nicht entfernt wurden oder die Wurzelkanäle eben nicht dicht verfüllt sind, was nicht unbedingt am Behandler liegen muss, können sich die Erreger im Wurzelkanal wieder vermehren. Sie dringen dann über die Wurzelspitze in den Knochen ein und verursachen dort eine umschriebene Entzündung des Knochengewebes. Im Röntgenbild ist ein dunkler Hof um die Wurzelspitze sichtbar. Häufig wird nun versucht, diese Entzündung zu beseitigen, indem die Wurzelspitze und das sie umgebende infizierte Knochengewebe im Sinne einer Wurzelspitzenresektion chirurgische entfernt wird.
Das ist falsch!
Die richtige Maßnahme wäre, die Wurzelbehandlung in korrekter Weise zu wiederholen (Revision einer Wurzelbehandlung). Gelingt das, heilt unser köpereigenes Abwehrsystem den infizierten Knochen problemlos in wenigen Tagen oder Wochen aus.
Wurde der Zahn jedoch mittlerweile mit einem eingeklebtem Stift versorgt, ist der normale (orthograde) Zugang zum Wurzelkanal verwehrt, eine Erneuerung der Wurzelbehandlung nicht mehr möglich. Jetzt kann man das Problem nur über einen Zugang durch den Knochen hin zur Wurzelspitze, also chirurgisch durch eine Wurzelspitzenresektion, lösen.
Dabei genügt es jedoch nicht, infizierten Knochen und Wurzelspitze zu entfernen und alles wieder zu vernähen. Wie oben erwähnt, befinden sich die Bakterien immer noch im Wurzelkanal. Derselbe Entzündungszustand tritt alsbald wieder ein, der operative Eingriff war sinnlos.
Eine Lösung wäre, den Bakterien den Ausgang aus dem Wurzelkanal in den Knochen zu verwehren. In der Tat ist das möglich.
In diesem Fall wird innerhalb des resektiven Eingriffs nach Entfernung der Wurzelspitze und des infizierten Knochens der Wurzelkanal von der Spitze her mit geeigneten Ultraschallinstrumenten ungefähr 4 mm aufbereitet und mit einem Spezialzement bakteriendicht verschlossen. Das nennt sich dann „retrograde Füllung“. Diese Maßnahme ist wirklich aufwendig und verlangt einiges Geschick. Im geschilderten Fall bleibt sie aber der einzige Weg zum Erfolg. Es geht nicht einfacher!